Im Stadtbild kommentieren wir täglich das Geschehen in der Hauptstadt-Region.
Unser Autor trauert um die alte Kastanie und einen letzten grünen Sommer. Doch nicht nur das: die Fällgenehmigung für die Bäume am Teutoburger Platz sind der Anfang für ein Bauprojekt in Prenzlauer Berg, das bei Anwohnern Argwohn auslöst. Ein Blick in den Kiez.
An der Ecke Fehrbelliner Straße und Teutoburger Platz kreischt die Säge, ein Bagger reißt Büsche heraus. Hinfort mit Ulme, Ahorn, Pappel. Es sollen neuen Wohnhäuser errichtet werden. Allerdings liegt für das Projekt in Prenzlauer Berg noch keine Baugenehmigung vor.
Wenn es nach den Anwohnern geht, die sich um die aufgestapelten Baumstämme versammeln, soll es auch keine geben. Sechs Geschosse hoch werden die Neubauten rings um einen Innenhof. Die enorme Bebauungsdichte kann mit der von gründerzeitlichen Mietskasernen mithalten. Nur dass hier keine soziale Durchmischung geplant ist, wie sie kaiserzeitlichen Wohnungs-Ausbeutern wenigstens als Ideal vor Augen stand. Hier werden nur sehr wohlhabende Menschen wohnen. Das Grundstück soll 17 Millionen Euro gekostet haben. Die müssen wieder reingeholt werden.
Von den Anwohnern alarmiert, rufen wir beim Bezirksamt an. Ja, die Fällgenehmigung gibt es. Nur die Maulbeere darf bleiben, die anderen 16 Bäume sollen weg. Sie seien nicht standfest, wenn der Abriss der Kaufhalle beginnt. Auch nicht die am Grundstücksrand? Zu flache und lange Wurzeln, sagt der Fachmann im Amt. Er hat jeden Baum inspiziert.
Auch die Kastanie, die weichen soll. Ihr Leben war in den letzten Jahren hart, erzählen Anwohner. Autos durften auf den Wurzeln parken, das miniermottenzerfressene Laub blieb liegen, Äste wurden abgebrochen. Für die Vernachlässigung von Bäumen wird kein Grundstückseigner bestraft.
In der Fällgenehmigung heißt es: „Dieser Bescheid gilt vorbehaltlich der Erteilung der Baugenehmigung/Abrissgenehmigung und des tatsächlichen Baubeginns/Abriss-Beginn.“ Keine Spur davon. Wieso wird gefällt? Am 1. März beginnt die Schonzeit für brütende Vögel. Also rücken jetzt die Sägekommandos an. Das Amt sieht offenbar keinerlei Grund einzuschreiten.
Irgendwann wird ja doch gebaut werden. Die Kastanie. Die Hybrid-Pappel. Sie könnten den Sommer noch einmal bereichern. Aber heute kommen wohl wieder die Sägemänner. Anwohner und Vögel müssen darauf hoffen, so um 2018 fünf (!) neue Bäume bewundern zu dürfen. Falls dieser Satz des Fällbescheids nicht auch eine Kann-Bestimmung ist.