Ausstellungstext Belforter Karree – eine Geschichte von Neu- und Umbau und Verdrängung. Eine Fotoausstellung der Kiezgruppe Mitte/Prenzlauer Berg. Mit dieser Fotoausstellung dokumentieren wir die Auseinandersetzung um das „Belforter Karree“, d.h. die Wohnblöcke zwischen Straßburger, Metzer und Belforter Str., sowie die durch Investor Bahr begonnenen Abriß- und Bauarbeiten. Dieses mieterfeindliche Luxusprojekt steht exemplarisch für eine Stadtentwicklung gegen die jetzigen Bewohner_innen und gegen eine soziale Stadt.Nachdem der Investor Rainer Bahr im Jahr 2009 das Palais Kolle Belle, einen Luxusbau in die Kollwitzstr. gesetzt hatte,erwarb er ein Jahr später auch die dahinter liegenden Grundstücke zwischen Belforter und Metzer Str. als neues Renditeobjekt (Belforter Straße 5-8, Straßburger Straße 33-36 und Metzer Straße 35-37).Diese sind mit Wohnblöcken bebaut, die in den 1960er-Jahren als Genossenschaftsmodell gebaut und seitdem von den Mieterinnen und Mietern bewohnt, gepflegt und auch modernisiert worden sind. Für viele der rund 100 Mieterinnen und Mieter ist – bzw. inzwischen war – dies ihr Zuhause, seit sie es vor Jahrzehnten mit aufgebaut haben. Viele von ihnen sind inzwischen hochbetagt.Das kümmert Herrn Bahr und die von ihm gegründete Firma Econcept wenig. Auf den bebauten und bewohnten Flächen planen sie munter neue Eigentumswohnungen einschließlich einer Tiefgarage.Auf die mit alten Bäumen bewachsenen luftigen Höfe zwischen den Häusern sollen neue Gebäude gesetzt werden, die um die älteren Wohnblöcke um zwei weitere Vollgeschosse überragen – diese werden damit zu dunklen Hinterhäusern und das, was von den Höfen übrig bleibt zu engen Hinterhöfen.Ein neuer Querriegel soll an der Straßburger Str. entlang entstehen. Da die bestehenden Blöcke bis fast an die Straße entlang reichen und für den Querriegel da eigentlich kein Platz war, entschied Bahr kurzerhand, jeweils einen Teil jedes Blockes abzureißen – die dort wohnenden Menschen sollten für dieses Projekt teils nach Jahrzehnten aus ihren Wohnungen ausziehen.Die Lebensqualität für die Mieter_innen wird auf Dauer entscheidend beeinträchtigt.Dennoch sah das Bezirksamt sich nicht in der Lage, dieser rein auf Profit ausgerichteten Form der„Stadtentwicklung“ einen Riegel vorzuschieben. Das Bauamt kuschte trotz verschiedentlicher Proteste vor den Drohungen des Investors, den Bezirk auf Schadensersatz zu verklagen, wenn er nicht den maximalen Gewinn aus seinem Grundstück ziehen dürfe, und genehmigte die Verdichtung .Schon während der Baumaßnahmen verursachen diese natürlich erhebliche Lärm- und Staubbelastungen für die verbliebenen Mieter_innen, ganz zu schweigen von der emotionalen Belastung. Empörende Folge dieser Investition sind vier Menschen, die seit Beginn der Baumaßnahmen starben.Als die Mieter_innen begannen, sich gegen die absurden Planungen zur Wehr zu setzen, wurde der Investor ungemütlich. Bahr schrieb Kündigungen, deren Gültigkeit kein Gericht anerkennt. Erste Räumungsklagen, die eher den Sinn haben, Mieterinnen und Mieter zu schikanieren als sie tatsächlich rauszuklagen, wurden erfolgreich abgewehrt. Keine einzige Klage konnte Bahr bisher gegen die Mieter_innen gewinnen. Am Haus an der Beforter Straße 8 können die Abrißarbeiten nicht erfolgen, weil Mieter_innen sich erfolgreich gegen die Räumungsklagen gewehrt haben. Um die Solidarität der Mieter_innen untereinander aufzubrechen, liess er einen Brief verteilen, in dem er Nachbar_innen, die sich gegen seine Schikanen zur Wehr setzten unter anderem als Querulant_innen beschimpfte. Die gesamte Baustelle wird durch (vermutlich illegale, da nicht kenntlich gemachte) Videokameras überwacht.Trotz der Gegenwehr haben, aufgrund der Baugenehmigung durch den Bezirk, die Bauarbeiten begonnen. Über 50 Bäume wurden gefällt.Zehn sanierte Wohnungen in der Straßburger Straße wurden nach der Entmietung bereits abgerissen. „Die Wände wackelten ziemlich, die übrigen Mieter_innen fragten sich, ob es ein Erdbeben gibt. Leute auf der Straße dachten, e shätte eine Explosion stattgefunden.“ So der Bericht einer Anwohnerin.Gegenwärtig sind die Bewohner_innen mit einer gigantischen Baugrube bis direkt vor ihre Haustüren konfrontiert, sodass sie zum Teil ihre Häuser nur durch die Hintertür und auf Schleichwegen verlassen können.Immerhin sind die Bahrs Pläne durch die erfolgreichen Widerstand einzelner Mieter_innen empfindlich gestört – sein Querriegel wird unvollständig bleiben müssen, solange die Wohnungen in der Belforter Str. 8 nicht abgerissen werden dürfen.So lange Bezirk und Senat dem Profitstreben einzelner Investoren und Investorengruppen keinen Riegel vorschieben,wird die Straßburger Str. kein Einzelfall bleiben. Der Fall zeigt auch, dass juristische Gegenwehr wichtig und hilfreichist, ohne eine breite Bewegung gegen Gentrifizierung und Verdrängung jedoch nur Teilerfolge erringen kann.Die Bewohner_innen im Beforter Karree brauchen weiter unsere Unterstützung!
Dies ist der Text zur Ausstellung inna Baiz
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