Artikel über P-Berg und Mitte

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Antigentrifizierung

 

 

Die alternativen Projekte Baiz und die „Kirche von Unten“ sind gerettet. Das Baiz will seinen Umzug als Demo organisieren und verbindet so geschickt Politik und Praxis

 

Die Alternativszene in Prenzlauer Berg und Mitte kann aufatmen – die Zukunft zwei ihrer Projekte ist gesichert. Sowohl der Jugend- und Konzerttreff „Kirche von Unten“ (KvU) als auch die Kultur- und Politkneipe „Baiz“ haben neue Räume gefunden. Die KvU ist in eine Lagerhalle in der Storkower Straße 119 gezogen, das Baiz wiederum wird an diesem Wochenende ein Lokal in der Schönhauser Allee beziehen. Eine überraschende Wende. Beide Projekte standen kurz vor dem Aus, weil ihnen die Mietverträge nicht verlängert wurden und die Suche nach einem neuen Ort lange Zeit ohne Erfolg geblieben war. Nach der Rettung des Kulturclubs Schokoladen in 2012 bleiben dem Nordosten der Stadt damit zwei weitere Alternativprojekte erhalten.

Ausruhen möchte sich das Kollektiv, welches das Baiz betreibt, auf diesem Erfolg allerdings nicht. Wie Barwirt Matthias sagt, gehe die Veränderung in der Innenstadt schließlich immer weiter. Die Mieten steigen, viele Clubs in der Nähe haben längst geschlossen. Als letztes großes Projekt war das Künstlerhaus Tacheles dran. „Nicht jeder hat so viel Glück wie wir. Freiräume gehen weiter verloren“, sagt Matthias. Aus diesem Grund wollen die BetreiberInnen der Kneipe ihren Umzug nutzen, um ein Zeichen gegen die Aufwertung der Innenstadt und die damit einhergehende Verdrängung zu setzen. Geplant ist eine 1.000 Meter lange Menschenkette von der alten Lokaltür zur neuen. 300 Personen werden dafür benötigt, schätzt das Kollektiv. Zusätzlich haben sie in ihrer Kneipe und im Netz 5.000 Unterschriften gegen steigende Mieten gesammelt. Diese wollen sie der Bezirksverordnetenversammlung von Pankow überreichen.

Bei der KvU ist der Umzug bereits über die Bühne gegangen. Das Projekt freut sich nun über HelferInnen, die beim Ausbau der Halle mit anpacken. „Es gibt noch viel zu tun“, sagt eine Unterstützerin der KvU, die ihren Namen nicht in der Presse sehen möchte. Auch am neuen Standort soll es wieder das „volle KVU-Angebot“ geben. Für die Jugendlichen aus Prenzlauer Berg heißt das, ein Konzertraum mit Bühne, Proberäumen, Werkstätten und ein Internetcafé. Da sich die Arbeiten hinziehen werden, rechnen die AktivistInnen erst in einem halben Jahr mit einer Neueröffnung.

Das Baiz will sein neues Lokal bereits im April in Betrieb nehmen. Auch hier soll alles beim Alten bleiben: BesucherInnen können sich weiterhin über eine Mischung aus Filmabenden, Konzerten und Diskussionen freuen. Das Baiz versteht sich als Kollektivbetrieb, der zur Mitgestaltung einladen soll. Verwurzelt ist die 2003 eröffnete Kneipe in der BesetzerInnenszene. Der Name bedeutet „Spelunke“ oder „Eckkneipe“. „Wir sind froh darüber, weitermachen zu können“, sagt Matthias.

Die Kirche von Unten gibt es seit 1987. Sie ist eine Kind der DDR-Oppositionsbewegung. Dass das Projekt nach langen Kämpfen um passende Räumlichkeiten weiterexistiert, geht auf das Engagement der BetreiberInnen und UnterstützerInnen zurück. Zwar gab es aus der Politik Zuspruch – an die neuen Räume sei man aber von allein gekommen, sagt die Unterstützerin. So sei man den ganzen Bezirk abgefahren, um einen neuen Ort ausfindig zu machen. Wichtig war dabei die räumliche Nähe zum alten Standort, damit die rund 80 Jugendlichen, die das Projekt zurzeit nutzen, auch weiterhin vorbeikommen können. An der Storkower Straße wurde man schließlich fündig. Der neue Vertrag gilt bis 2019. „Ich bin traurig, die alten Räume zu verlassen, denke aber, dass ein Neuanfang gut tun kann“, sagt die Unterstützerin aus der KvU.

Der Fortbestand des Baiz ist unbefristet gesichert. Das Kollektiv hat die neuen Räume gekauft. Den Tipp erhielten Matthias und seine MitstreiterInnen per Zufall über eine Bekannte. Dann ging alles ganz schnell, vier Wochen später war der Kaufvertrag unterzeichnet. Ein nettes Detail: Der alte Eigentümer kennt das Baiz und freut sich, dass das Kollektiv den Laden bewirten wird. Der gesamte Umzug soll mit einer Dokumentation im Film festgehalten werden. Ein Geschenk, das der der Filmemacher Jochen Wisotzki seiner Lieblingskneipe machen will.

„Projekte wie die KvU, das Baiz oder der Schokoladen haben eine große Bedeutung für die Stadt“, betont Matthias vom Baiz. Abgesehen davon, dass sie ihren Kiez belebten, eine Anlaufstelle für die Nachbarschaft seien und Alternativen ausprobierten, hätten sie auch eine wirtschaftliche Bedeutung. Es sei das alternative Leben in der Stadt, weshalb viele BesucherInnen aus der ganzen Welt Tag für Tag nach Berlin kämen. Entsprechend würden sich die AktivistInnen wünschen, dass sich die Politik darum kümmert, die Veränderung der Stadt in andere Bahnen zu lenken und auch die Alternativprojekte stärker zu schützen. „Kümmert man sich nicht um uns, sägt man auch am eigenen Ast“, sagt Matthias.

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