Seit Monaten sind steigende Mieten, vor allem für Wohnungen in der Innenstadt, ein heißes Thema in Berlin. Die Kritik und Forderungen nach einem Eingreifen des Senats häufen sich. Seit einer Weile ist sogar eine Kampagne „Steigende Mieten stoppen“ in Planung, die kürzlich mit einem eigenen Blog an die Öffentlichkeit getreten ist.
Nun hat die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung heute morgen den neuen Mietspiegel präsentiert. Angeblich ungewöhnlich früh, um die frohe Kunde einer auffällig geringen durchschnittlichen Mietsteigerung noch vor den Europawahl zu präsentieren. Der Eindruck, der Senat habe das Problem im Griff, sollte sich anscheinend positiv für die Stimmabgabe zugunsten von SPD und Linkspartei auswirken.
Wie bereits auf dem Gentrification-Blog festgestellt, hat diese Taktik aber anscheinend nicht gefruchtet. Einer Mischung aus Sensibilisierung für das Thema bei Journalist_innen und schneller Intervention der Berliner Mieterverbände (hier Mietergemeinschaft und Mieterverein) ist wohl zu verdanken, dass die Schlagzeilen allesamt skeptisch ausfielen:
„Berliner Singles wohnen teuer“ (Berliner Zeitung), „Wohnen in der City drastisch verteuert“ (Tagesspiegel), „Mieter müssen sich auf steigende Mieten einstellen“ (Morgenpost), „Zieht doch in die Platte!“ (Kommentar im Tagesspiegel), „Kleine Wohnungen werden zum Luxus“ (taz), „Für Arme wird’s teuer“ (junge Welt), „Nebenkosten treiben Mieten hoch“ (Neues Deutschland), „Kaltmieten steigen langsamer – Das Problem sind die hohen Betriebskosten“ (Berliner Kurier)
Der Tagesspiegel weist dabei besonders auf ein gravierendes Problem hin: Während die Mietsteigerungen bei bestehenden Mietverträgen sich oft in gewissen Grenzen halten, wird gerade im Innenstadtbereich bei Neuvermietungen ordentlich draufgeschlagen. Wer also – aus welchen Gründen auch immer – seine bisherige Wohnung verlässt, läuft Gefahr, den Kiez verlassen und eine deutlich schlechtere Wohnung akzeptieren zu müssen.
…der Chef des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen, Ludwig Burkardt: „In weiten Teilen der Stadt stagniert die Mietzahlungsfähigkeit oder steigt nicht so, wie es wirtschaftlich wünschenswert wäre.“
Die Schere zwischen der Zahlungskraft der Haushalte und den Kosten des Wohnens öffnet sich nicht nur wegen der steigenden Mieten, sondern auch wegen der explodierenden Betriebskosten – hier lag das Plus bei fünf Prozent allein im vergangenen Jahr.
Der Mietspiegel offenbart in der derzeitigen Auseinandersetzung übrigens seine zwiespältige Funktion: Einerseits ist es aus Mieterinteresse gut, wenn er möglichst keine Preissteigerungen ausweist, denn diese können Vermieter dann bei der nächsten Gelegenheit realisieren. Andererseits ist es politisch gesehen in einer angespannten Marktlage schlecht, wenn der Mietspiegel diese nicht aufzeigt. Der Senat versucht sich dann, aus der Verantwortung zu ziehen und verweist – so wie gerade jetzt – darauf, dass es keinen Handlungsbedarf gäbe.
Und nirgends war von kundigen Fachleuten ein Hinweis zu erfahren, ob die „moderarten“ durchschnittlichen Preissteigerungen, die Ergebnis der Untersuchung waren, möglicherweise vor allem an einer neuen Berechnungsweise des Mietspiegels liegen könnten. Die Zahl der Wohnungen, die als Extremfälle von der Untersuchung ausgesiebt wurden, ist nämlich im Vergleich zum letzten Mietspiegel erhöht worden. Und da bei den Mietpreisen die Ausschläge nach oben deutlich höher sind als die nach unten, dürfte die neue Berechnungsweise die Durchschnittswerte im Ergebnis gedämpft haben – fragt sich nur, wie stark.