Alles ist neu, alles ist schick, bei Kaiser’s am Teutoburger Platz, geöffnet hat der Laden jetzt von 8 bis 24 Uhr. In den Regalen türmen sich die Bio-Lebensmittel, und doch ist alles künstlich. Die Auswahl ist reich, vielfältig, enorm, erschlagend, die Kundschaft eher einfarbig. Die drei Flaschencontainer vor der Tür sind beinah die einzigen Überreste aus der Zeit, als das hier noch eine ganz normale Kaufhalle war und sie ziehen nach wie vor Leute an, die hier nicht mehr so ganz zwischen die Regale und Gänge passen.
So stehen zwei bärtige, abgewrackte Typen mit langen Drahthaken an den glockenartigen Gebilden, in die Anwohner zwischen 10 und 12 und 15 und 19 Uhr ihre Flaschen versenken. Sie fischen nach Leergut, das acht, 15 oder gar 25 Cent in ihre löchrigen Taschen spült. Der eine Typ ist versiert, mit dem Drahthaken, fischt eine Flasche nach der anderen aus der Glocke, schmeißt Einwegflaschen wieder hinein und Pfandflaschen in seinen versifften Stoffbeutel, sein Blick ist geschult. Der andere Typ ist grobmotorischer veranlagt, anscheinend ist er noch nicht so lange dabei. Mit Mühe und Not angelt er eine braune Saftflasche aus dem Container, liest sich das Etikett aufmerksam durch, sucht nach einem Hinweis, ob er einen Fang gemacht hat. Anscheinend kann er nichts finden, was darauf hinweist, dass es für diese Flasche acht oder 15 oder gar 25 Cent gäbe. Als er enttäuscht ansetzt, um die Flasche wieder im Container zu versenken, brüllt ihn sein Kollege vom anderen Container an: “Ey, Alter, Appel-Sanddorn, Bio, fuffßen Cent, du Pfeife!”
ursprünglich erschienen in: Augen auf(!) Berlin